Leiharbeitsunternehmen und die Bedeutung einer nationalen behördlichen Genehmigung, EuGH Urteil C-441/23
Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit zielt darauf ab, einen harmonisierten Rahmen zum Schutz von Leiharbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union zu schaffen. Ein zentrales Element dieser Richtlinie ist die Definition des Begriffs „Leiharbeitsunternehmen“. Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob ein Unternehmen, das Arbeitnehmer einem Dritten zur Verfügung stellt, als Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie gilt, auch wenn es nach nationalem Recht nicht als solches anerkannt ist, weil es über keine entsprechende behördliche Genehmigung verfügt.
Sachverhalt: Muss ein Leiharbeitsunternehmen auf nationalen Ebene als solches anerkannt sein?
Die Klägerin, LM, absolvierte von September 2010 bis Juni 2011 ein Berufspraktikum bei Microsoft. Zwischen dem 24. August 2011 und dem 1. August 2017 schloss sie aufeinanderfolgende Arbeitsverträge mit Omnitel Comunicaciones, Indi Marketers und Leadmarket, die jeweils Dienstleistungsverträge mit Microsoft hatten. Im Rahmen dieser Verträge erbrachte LM Dienstleistungen für Microsoft. Auf der Grundlage des am 1. August 2017 zwischen Leadmarket und LM geschlossenen Arbeitsvertrags war LM als Unternehmensberaterin für die Abteilung Original Equipment Manufacturer (OEM) tätig und übernahm Marketingleistungen für Microsoft. Während ihrer Schwangerschaft informierte Microsoft Leadmarket, dass der Dienstleistungsvertrag zwischen beiden Unternehmen aus budgetären Gründen am 30. September 2020 enden und nicht verlängert werde. Nach ihrer Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub wurde LM von Leadmarket gekündigt. LM erhob daraufhin Klage und beantragte die Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung sowie die Verurteilung von Leadmarket und Microsoft zur Zahlung einer Entschädigung. Sie argumentierte, dass ihre Kündigung diskriminierend sei und gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit sowie der Richtlinie 2006/54/EG zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verstoße.
Das vorlegende Gericht, das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid, Spanien), ersuchte den EuGH unter anderem um Klärung der Frage, ob ein Unternehmen, das Arbeitnehmer einem Dritten zur Verfügung stellt, als Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG gilt, auch wenn es nach nationalem Recht nicht als solches anerkannt ist, weil es über keine entsprechende behördliche Genehmigung verfügt.
Entscheidung des EuGH
Definition von „Leiharbeitsunternehmen“
Der EuGH stellte fest, dass die Richtlinie 2008/104/EG für jede natürliche oder juristische Person gilt, die mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag oder ein Beschäftigungsverhältnis eingeht, um ihn einem entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit er dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend arbeitet. Dies gilt auch dann, wenn das Unternehmen nach innerstaatlichem Recht nicht als Leiharbeitsunternehmen anerkannt ist, weil es über keine entsprechende behördliche Genehmigung verfügt.
Unabhängigkeit von nationalen Genehmigungserfordernissen
Der Gerichtshof betonte, dass weder aus dem Wortlaut noch aus dem Regelungszusammenhang der Richtlinie 2008/104/EG hervorgeht, dass ein Unternehmen über eine vorherige behördliche Genehmigung verfügen muss, um als Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie zu gelten. Das Erfordernis der Konformität mit dem einzelstaatlichen Recht bezieht sich lediglich auf das Verfahren zum Abschluss der Arbeitsverträge oder auf die Art und Weise der Eingehung der Beschäftigungsverhältnisse.
Ziel der Richtlinie und Schutz der Leiharbeitnehmer
Die Auslegung, dass eine vorherige behördliche Genehmigung nicht erforderlich ist, steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 2008/104/EG, einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer festzulegen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Unternehmen mit behördlicher Genehmigung würde den Schutz der Leiharbeitnehmer gefährden und zu unterschiedlichen Schutzniveaus innerhalb der Mitgliedstaaten führen.
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Der Gerichtshof betonte, dass der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung sicherstellt, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während ihres Einsatzes im entleihenden Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für vergleichbare Arbeitnehmer dieses Unternehmens gelten. Dies umfasst insbesondere die Bedingungen in Bezug auf Mutterschaftsurlaub und den Schutz vor Kündigung während dieses Zeitraums.
Fazit
Unternehmen, die Arbeitnehmer an Dritte überlassen, gelten als Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG, unabhängig davon, ob sie nach nationalem Recht als solche anerkannt sind oder über eine entsprechende behördliche Genehmigung verfügen. Es ist daher unerheblich, ob nationale Vorschriften eine solche Genehmigung vorsehen oder nicht. Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104/EG einhalten, insbesondere in Bezug auf den Schutz und die Rechte der Leiharbeitnehmer, unabhängig von nationalen Genehmigungserfordernissen. Arbeitgeber sollten überprüfen, ob ihre Verträge und internen Richtlinien den Anforderungen der Leiharbeitsrichtlinie und der Gleichbehandlungsrichtlinie entsprechen.
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